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Kündigungen schwerbehinderter Arbeitnehmer in der Probezeit ohne Präventionsverfahren unwirksam?

  • Autorenbild: Arbeitsrechtskanzlei Aurel Welz
    Arbeitsrechtskanzlei Aurel Welz
  • 15. März
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 22 Stunden

Mit dem BAG-Urteil unter dem 03.04.2025 zum Aktenzeichen 2 AZR 178/24 haben die Richter des Bundesarbeitsgerichts bundeweit für Klarheit in Fällen von Kündigungen von schwerbehinderten Arbeitnehmern während der Kündigung ohne vorheriges Präventionsverfahren gemäß § 167 Abs. 1 SGB IX gesorgt. Arbeitgeber können nach dieser Entscheidung aufatmen, weil für sie dadurch Vieles mit Blick auf Kündigungen von schwerbehinderten Arbeitnehmern einfacher wird:


§ 167 Abs. 1 SGB IX erfasse ausschließlich Fälle, in denen das Kündigungsschutzgesetz anwendbar sei. In der Folge könne ein im Vorfeld einer noch während der Probezeit ausgesprochenen Kündigung unterlassenes Präventionsverfahren allein kein hinreichendes Indiz im Sinne von § 22 AGG dafür darstellen, dass ein schwerbehinderter Arbeitnehmer durch die Kündigung diskriminiert wurde. Rechtsfolge: Eine während der Probezeit ausgesprochene Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers ist nicht schon allein deshalb unwirksam, wenn ein Präventionsverfahren gemäß § 167 Abs. 1 SGB IX nicht durchgeführt wurde. 


Zwar entsprach es in Deutschland schon vor der genannten Entscheidung eine Weile lang der herrschenden Meinung, dass man als Arbeitgeber schwerbehinderte Arbeitnehmer während der Probezeit genauso unproblematisch kündigen kann wie andere Arbeitnehmer (BAG, Urteil vom 21.04.2016 – 8 AZR 402/14). Dieser Grundsatz wurde mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 10. Februar 2022 (Az. C‑485/20) jedoch vorübergehend erheblich erschüttert, weil nicht ganz klar war, welche Rechtsfolgen auf nationaler Ebene dadurch ausgelöst werden können und die nationalen erst- und zweitinstanzlichen Gerichte die Entscheidung mit Blick auf ihre Rechtsfolgen auf nationaler Ebene unterschiedlich eingeordnet haben.


Der EuGH hat die Richtlinie 2000/78/EG (sog. "Gleichbehandlungsrichtlinie") so ausgelegt, dass Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung bei schwerbehinderten Personen auch während der Probezeit in einem gewissen Rahmen gehalten sind, Möglichkeiten zur Vermeidung derselben (z.B. durch Beschäftigung auf einer anderen Stelle) zu eruieren. Fraglich war dann in der Folge bis zur BAG-Entscheidung vom 03.04.2025, ob das auf nationaler Ebene in § 167 Abs. 1 SGB IX geregelte Präventionsverfahren eine solche Möglichkeit zur Vermeidung einer Kündigung einer schwerbehinderten Person darstellt oder nicht.


Das Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 12.09.2024 – 6 SLa 76/24) ist in der Folge - wie zuvor jedenfalls vom Ergebnis der Unwirksamkeit her bereits die Arbeitsgerichte Köln (Urteil vom 20.12.2023  – 18 Ca 3954/23) und Freiburg (Urteil vom 4.06.2024 – 2 Ca 51/24) - entgegen der BAG-Rechtsprechung (BAG, Urteil vom 21.04.2016 – 8 AZR 402/14) zum Ergebnis gelangt, dass entsprechend in einer Kündigung, die während der Probezeit ausgesprochen wurde ohne vorher nach anderen Möglichkeiten Ausschau zu halten, eine ungerechtfertigte Diskriminierung liegt - vorläufige Rechtsfolge (vorbehaltlich einer entsprechenden nachfolgenden BAG-Entscheidung): Unwirksamkeit der Kündigung, damit wirksames Arbeitsverhältnis, in dem der Arbeitnehmer ein Recht gehabt hätte, zu arbeiten und auch hätte entlohnt werden müssen inklusive Lohnnebenkosten.


Für Arbeitgeber entand daraus eine erhebliche Unsicherheit mit Blick auf die Kündigung schwerbehinderter Arbeitnehmer während der Probezeit. Für schwerbehinderte Arbeitnehmer, die während der Probezeit ohne vorherige Durchführung eines Präventionsverfahrens gekündigt wurden, war es insofern nicht von vornherein aussichtslos, mit der Argument, diskriminiert worden zu sein, gerichtlich gegen die Kündigung vorzugehen und zumindest - falls eine Fortsetzung über die Probezeit hinaus nicht erfolgsversprechend ist - eine kleine Abfindung zu erzielen. 


Wohl mit Blick auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 03.04.2025 zum Aktenzeichen 2 AZR 178/24, wurde die vom Landesarbeitsgericht Köln entschiedene Arbeitsrechtssache, die kurzzeitig beim Bundesarbeitsgericht zum Aktenzeichen 2 AZR 271/24 anhängig war, nicht fortgeführt. Die Essenz daraus, die sich für die arbeitsrechtliche Praxis für Arbeitgeber und Arbeitnehmer mitnehmen lässt, ist: Nur weil ein Präventionsverfahren vor der Probezeitkündigung nicht durchgeführt wurde, ist die Kündigung nicht wegen Diskriminierung unwirksam. Vielmehr müssen dafür im Einzelfall zumindest noch weitere Indizien hinzutreten, die für eine Diskriminierung durch die Kündigung sprechen.

 
 

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