Gesetzlicher Anspruch auf Abfindung für Arbeitnehmer bei Aufhebungsvertrag oder Kündigung?
- Arbeitsrechtskanzlei Aurel Welz
- 26. Juni
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. Juni
Wer von seinem Arbeitgeber (m/ w/ d) einen Aufhebungsvertrag zur Unterschrift vorgelegt bekommt oder gekündigt wird, befindet sich in einer besonderen Situation:"Muss ich meine Unterschrift unter den Aufhebungsvertrag setzen, damit ich eine Abfindung erhalte?" oder "darf der Arbeitgeber mich einfach so kündigen? Muss er dann nicht wenigstens - damit ich die Kündigung hinnehme - mir eine angemessene Abfindung zahlen?" - das sind Fragen, die sich dann stellen. Da man als Laie nicht einschätzen kann, mit welchen Rechtsfolgen man normalerweise oder im äußersten Fall rechnen muss, ist eine fachlich qualifizierte Einschätzung der Rechtslage und der Chancen und Risiken unter Berücksichtigung der Umstände des persönlichen Einzelfalls fast immer zu empfehlen.
Vorweg die wichtigsten Informationen: Sie sind nicht verpflichtet, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben und sollten deshalb auch nie vorschnell Ihre Unterschrift unter einen Aufhebungsvertrag setzen. Sie verlieren normalerweise nicht, sondern behalten vielmehr gute Aussichten auf eine Abfindung, wenn sie den Aufhebungsvertrag nicht (jedenfalls nicht sofort, sondern allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt, ggf. in ein paar wichtigen Punkten zu Ihren Gunsten angepasst) unterschreiben.
Falls Sie Ihre Unterschrift schon geleistet haben, sich aber in einer besonderen Drucksituation befunden haben, ist es nur in sehr engen Grenzen zulässig, den Aufhebungsvertrag im Kontext einer "Überrumplung" zeitnah anzufechten. Die Gerichte stellen insofern sehr hohe Anforderungen, an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers.
Für den Fall, dass Sie eine Kündigung erhalten gilt erst einmal: Nur weil der Arbeitgeber Sie gekündigt hat, ist er allein deshalb noch nicht zur Zahlung einer Abfindung verpflichtet. In der Praxis zahlen aber trotzdem 80 % der Arbeitgeber eine Abfindung, selbst wenn sie dazu nicht verpflichtet sind - aber nur dann, wenn sich Arbeitnehmer gegen eine Kündigung rechtzeitig zur Wehr setzen oder einen vorgelegten Aufhebungsvertrag nicht unterschreiben. Denn Arbeitnehmer verfügen generell (auch dann, wenn sie keinen besonderen Kündigungsschutz haben wie zum Beispiel Betriebsratsmitglieder, Schwangere, schwerbehinderte Menschen oder ihnen gleichgestellte Personen) über viele Rechte, die im arbeitsgerichtlichen Prozess und auch schon vorher im Rahmen einer außergerichtlichen anwaltlichen Korrespondenz zugunsten von Arbeitnehmern und zu Lasten von Arbeitgebern eingebracht werden können. Umgekehrt können Arbeitgeber ihrerseits oft auch Ansatzpunkte finden, die die Arbeitnehmerposition qualitativ schmälern - immer dann, wenn die Arbeitnehmerseite ein bestimmtes Recht nicht so ausgeübt hat, wie sie es nach Einschätzung des Gesetzgebers (und unter Berücksichtigung der Auslegung der Arbeitsgerichte) verantwortlich hätte tun müssen. Das kann im Einzelfall sogar bis hin zu einer wirksamen außerordentlichen Kündigung gehen (hier gibt es dann selbstverständlich keine Abfindung).
Dass man unredlichen Arbeitnehmern als Arbeitgeber nicht pauschal zu einem Abfindungsanspruch verhelfen möchte, versteht sich von selbst. Auf der anderen Seite können sich Arbeitgeber aber auch nicht immer eine Abfindung leisten - selbst wenn ein Arbeitnehmer lange Zeit gute Arbeit geleistet hat, sagt das für sich genommen nichts darüber aus, ob das Unternehmen insgesamt schwarze Zahlen schreibt oder ob die weggefallene Stelle auch wirtschaftlich rentabel war.
Grundsätzlich gibt es in Deutschland - außer in sehr engen Ausnahmefällen - für Arbeitnehmer gegenüber Arbeitgebern keinen Anspruch auf Abfindung (!). Selbst wenn man bereits seit 10, 20 oder 30 Jahren angestellt ist oder sogar länger - der Gesetzgeber hat sich mit Blick auf den heimischen Arbeitsmarkt - obwohl es zulässig gewesen wäre, das anders zu regeln - dagegen entschieden, Arbeitgeber generell zur Zahlung einer Abfindung zu verpflichten. Ein naheliegendes Motiv ist insofern wohl auch, dass es Arbeitnehmer gibt, die gute Arbeit leisten und Arbeitgebern wohlgesonnen sind (bzw. sie jedenfalls nicht bewusst sabotieren) und solche, die absichtlich schlechte Arbeit verrichten und den Betriebsablauf sabotieren. Natürlich gibt es auch Fälle, in denen zunächst zuverlässig gute Arbeit geleistet wurde und dann später besondere Ereignisse stattfinden, die dazu führen, dass man im Arbeitsverhältnis auch später überhaupt nicht mehr gemeinsam "auf einen grünen Zweig" zurückfindet (dies geschieht relativ oft infolge von Unfällen, einer Krankheit oder mehreren Krankheiten, einer - tätigkeitsbedingten - Schwerbehinderung oder Gleichstellung, aber auch beim Auftreten grundsätzlich positiv besetzter Ereignisse wie der Geburt eines Kindes oder mehrerer Kinder und darauffolgenden Elternzeiten, während denen sich Betriebsabläufe so dramatisch verändert haben, dass eine Rückkehr in den normalen Betriebsablauf unter den neuen Bedingungen mit vielen verschiedenen Barrieren verbunden wäre).
Nun mag der ein oder andere (m/ w/ d), der sich mit dem Kündigungsschutzgesetz beschäftigt hat und nachgelesen hat, einwenden, in § 1a Kündigungsschutzgesetz sei doch ein gesetzlicher Abfindungsanspruch normiert.
Dort heißt es unter dem Stichwort
"Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung": "(1) Kündigt der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 S. 1 und erhebt der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 keine Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, hat der Arbeitnehmer mit Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung. Der Anspruch setzt den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann. (2) Die Höhe der Abfindung beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. § 10 Abs. 3 gilt entsprechend. Bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden."
Dieser Anspruch entsteht in der Praxis aber nur in absoluten Ausnahmefällen und setzt voraus, dass der Arbeitgeber bereits in der Kündigung erklärt, das Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Erfordernissen heraus zu kündigen. Das allein werden viele Arbeitgeber schon aus wirtschaftlichen Gründen und Gründen der öffentlich wahrgenommenen Reputation in den meisten Fällen nicht tun: Wenn Banken und Kunden von einem solchen Fall Wind bekommen (dringende betriebliche Erfordernisse, die zu einer Kündigung führen, können kommunikativ so wahrgenommen werden, als ob ein Unternehmen wirtschaftlich nicht gut gehaushaltet hat oder sich aus anderen Gründen in roten Zahlen befindet), könnte das die Kreditwürdigkeit des Unternehmens und seine Attraktivität in der Wahrnehmung potentieller Kunden gefährden und unter Umständen sogar empfindlich beeinträchtigen.
Aber auch rechtlich mit Blick auf die Frage, ob man im Prozess obsiegen oder verlieren wird, birgt es für Arbeitgeber Risiken, sich bereits in der Kündigungserklärung auf einen Kündigungsgrund festzulegen. Tatsächlich wird in Kündigungen von erfahrenen Arbeitgebern in den meisten Fällen regelmäßig gar kein Kündigungsgrund benannt, weil sie sonst auf diesen einen Kündigungsgrund festgelegt sind und andere Gründe für eine Begründung der Kündigung im Prozess nicht mehr herangezogen werden könnten, selbst wenn sie rein objektiv zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs beim Arbeitnehmer vorlagen. Es gibt natürlich auch Ausnahmefälle, in denen die Arbeitgeber den Kündigungsgrund explizit mitteilen müssen und in denen die Kündigung ansonsten schon unwirksam ist - in solchen Fällen benennen auch erfahrene Arbeitgeber natürlich den Kündigungsgrund.
Das oben angesprochene Angebot in der Kündigung, gemäß § 1a KSchG eine Abfindung von 0,5 Monatsgehältern pro Jahr der Betriebszugehörigkeit zu zahlen, weckt bei vielen Arbeitnehmern, die sich dann - anders als ursprünglich beabsichtigt plötzlich doch anwaltlich vertreten lassen -, die gar nicht so abwegige Vorstellung, dass sich, wenn der Arbeitgeber bereits außergerichtlich einen Abfindungsbetrag angeboten hat, im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens vielleicht noch deutlich mehr "rauschlagen" lässt. Das ist für eine Vielzahl von Fällen richtig. In den 15 % von Fällen, in denen es nicht stimmt (weil etwa der Betrieb geschlossen wird und kein Betriebsübergang stattfindet oder Ähnliches), müssen sich Arbeitnehmer dann eventuell aber tatsächlich mit 0 € Abfindung zufrieden geben, wo man ihnen als Anwalt - wenn man rechtzeitig konsultiert worden wäre - wohl geraten hätte, das Angebot des Arbeitgebers - ggf. in ein paar Punkten wie Zeugnis, nachvertraglichem Wettbewerbsverbot mit Karenzentschädigung oder Ausschlussklausel modifiziert - anzunehmen.
Ein anderer gesetzlicher Ausnahmefall, der zu einer Abfindung führt, ist derjenige, der in § 9 Abs. 1 KSchG normiert ist: "(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen. (2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte."
Dieser Anspruch setzt als allererstes (wichtig!) voraus, dass der Arbeitnehmer (m/ d/ w) innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung eine Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht erhoben hat. Das steht zwar in der Norm selbst nicht, ergibt sich aber daraus, dass ein Arbeitgericht ohnehin nur dann über die Frage, ob eine Kündigung wirksam ist und das Arbeitsverhältnis beendet hat oder unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, nur entscheiden darf, wenn die Klageerhebung innerhalb von drei Wochen nach zugang der schriftlichen Kündigung erfolgt ist:
"Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist." (§ 4 Abs. 1 S. 1 KSchG).
Weitere Voraussetzung für den Abfindungsanspruch ist die Feststellung des Gerichts, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat. Ferner verlangt dass Gesetz, dass dem Arbeitnehmer eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist (§ 9 Abs. 1 S. 1 KSchG) und der Arbeitnehmer einen Antrag auf Auflösung stellt. Wenn diese Voraussetzungen kumulativ vorliegen, entsteht ein gesetzlicher Anspruch auf Abfindung für Arbeitnehmer, der durch das Arbeitsgericht vor dem Hintergrund des § 9 Abs. 2 KSchG i.V.m. § 10 KSchG und mit Blick auf die konkreten Umstände des Einzelfalles konkretisiert wird. Gemäß § 10 Abs. 1 KSchG soll der Höchstbetrag normalerweise höchstens ein Bruttojahresgehalt betragen - etwas anderes ist aber erlaubt, wenn das Arbeitsverhältnis schon außerordentlich lange gedauert hat - bei zwanzig Jahren Betriebszugehörigkeit können es gemäß § 10 Abs. 2 KSchG bis zu 18 Monatsverdienste als Abfindung festgesetzt werden.
Im Vergleich zu den Abfindungshöhen, die außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Normen regelmäßig erreicht werden, scheinen die skizzierten Fälle gesetzlicher Abfindungsansprüche nicht unbedingt der Rede wert zu sein. Allerdings ist die Abfindungshöhe auch immer davon abhängig, wie hoch der konkrete Kündigungsschutz des zu kündigenden Arbeitnehmers ist und wie hoch seine Vergütung ist - umso größer der Betrieb, umso länger der Arbeitnehmer dabei ist und um so höher die Vergütung, desto besser ist in der Regel auch der Ausgangspunkt mit Blick auf die Abfindungshöhe. Umso kleiner der Betrieb, umso geringer die Betriebszugehörigkeitszeit und umso geringer die Vergütung, desto geringer fällt im Regelfall auch die Höhe der Abfindung aus. Das Arbeitsrecht ist insofern ein bischen wie Skat: Wer Buben, Ässe und Zehnen hat, spielt Grand; wer passt, kann als Einzelspieler im Rahmen eines Ramsch-Spiels immernoch gewinnen, wer das Spiel mit 23 bekommt, kann die Gegner vielleicht auch noch mit einem Nullspiel in die Knie zwingen (wenn die Gegner kontra gegeben haben, kann das verhältnismäßig lukrativ werden).
Garantien lassen sich mit Blick auf das Obsiegen oder Unterliegen nicht geben, nur eine realistische Risiko- und Chancenbewertung (Stand jetzt). Es kann immer sein, dass im Prozess Umstände ermittelt werden, die einen Anspruch auf Abfindung in weite Ferne rücken lassen oder anders herum: In die Höhe schnellen lassen. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte sich nicht nur anwaltlichen Rechtsrat zu seiner konkreten Situation einholen, weil jeder einzelne Umstand, der nicht pauschal bewertet werden kann, potenziell streitentscheidend sein kann und sich damit auch auf die Abfindungshöhe auswirken kann. Als Arbeitnehmer (m/ w/ d) sollte man das Risiko, das für einen selbst besteht, ggf. mit 0 € am Ende eines langen Kündigungsschutzrechtsstreits nach Hause zu gehen, und - wenn man keine Rechtsschutzversicherung hat - oben drauf noch mit den Anwaltsgebühren belastet zu werden (die sich im Arbeitsrecht in der ersten Instanz allerdings glücklicherweise auf die Gebühren für den eigenen Anwalt beschränken) bereits im Gütetermin oder später im Kammertermin berücksichtigen und sich - mit Hilfe seines/ ihres Anwalts zu einem günstigen Zeitpunkt, wenn die Chancen und Risiken gut abgemessen wurden, auf eine vernünftige einvernehmliche Lösung einigen (das geschieht in 70 % der Fälle im Rahmen eines sogenannten "Vergleichs"), außer wenn alles gegen eine solche Einigung spricht, weil die Darlegungs- und Beweislage wie auch die Rechtslage ausnahmsweise sehr eindeutig ist. Auch Arbeitgeber können sich nur in seltenen Ausnahmefällen sicher sein, dass das Arbeitsgericht ihnen recht geben wird. Die Annahme, recht zu bekommen, kann sich für sie bitter rächen, wenn das Gericht am Ende eines langen Prozesses zu dem Ergebnis kommt, dass die Kündigung unwirksam war. In vielen Fällen kommt es deshalb schon vor einer erstinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung zu einem Kompromiss, der meist sehr nah dran an "der goldenen Mitte" liegt.