Was sind die größten Fehler, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei Streitigkeiten nach Möglichkeit vermeiden sollten?
Die Arbeitsvertragsmuster oder Kündigungsvorlagen befinden sich häufig nicht auf dem aktuellsten Stand oder werden im Einzelfall falsch angepasst. Auch ansonsten machen Arbeitgeber bestimmte Fehler, die teuer werden können, meistens schon, bevor sie sich an einen Anwalt wenden (z.B. unterlassene Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung, Nichteinhaltung der Schriftform bei Kündigung und Aufhebungsvertrag, ausdrückliche Festlegung auf einen Kündigungsgrund in der Kündigung u.Ä.). Aber auch Arbeitnehmer lassen sich häufig zu lange Zeit, bevor sie sich anwaltliche Hilfe holen. Das kann bei Fristen, die mit Blick auf eine Kündigungsschutzklage oder gemäß Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag für den Verfall bzw. Ausschluss von Vergütungsansprüchen gelten, schmerzlich werden. Insofern ist es für beide Seiten - Arbeitgeber und Arbeitnehmer - generell ratsam, möglichst früh einen Rechtsanwalt zu konsultieren. Das gilt natürlich auch für Führungskräfte und Betriebsräte.
Wen berätst und vertrittst du lieber: Arbeitnehmer oder Arbeitgeber?
Arbeitnehmer zu vertreten ist meistens einfacher, weil man in vielen dieser Fälle etwas findet, das es der Arbeitgeberseite schwer bis unmöglich macht, sich schnell und kostengünstig vom jeweiligen Arbeitnehmer zu lösen. Für Arbeitgeber ist es tendenziell nicht so einfach, die Kosten gering zu halten, wenn man Arbeitsverhältnisse kurzfristig und mit wenig Kosten beenden will, aber das macht es inhaltlich eben auch interessant: Einen Weg zu finden, wo es zunächst so scheint, als ob es keinen gäbe. Aber es gibt natürlich auch andere Fälle: Arbeitnehmermandate, bei denen es schwer ist, etwas stichhaltiges gegen die Wirksamkeit einer Kündigung ins Feld zu führen, und Arbeitgebermandate, bei denen sich ein Arbeitgeber relativ leicht und kostengünstig vom Arbeitnehmer lösen kann. Ich begleite diesen Prozess in allen Angelegenheiten auf der einen oder anderen Seite so, dass die Rechte und Interessen meiner Mandantschaft kurz- und langfristig bestmöglich zur Geltung gebracht werden und wirtschaftliche Risiken auf ein Minimum reduziert werden.
Hast du kein schlechtes Gewissen, wenn du Arbeitgebern hilfst?
Wenn ich mich nicht in beide Positionen reinversetzen könnte, würde ich wahrscheinlich nur Arbeitnehmer vertreten. Das machen manche Kollegen von mir auch tatsächlich so. Aber wer das macht, tut es wohl eher selten aus idealistischen Gründen (wir leben in Deutschland ja nicht mehr zu den Bedingungen des 19. Jahrhunderts). Es gibt sowohl Arbeitnehmer, die es nicht gern sehen, wenn der Anwalt, den sie beauftragen, auch für Arbeitgeber tätig ist, als auch Arbeitgeber, die es nicht gern sehen, wenn der Anwalt, den sie beauftragen, auch für Arbeitnehmer tätig ist. Fälle, bei denen ich den Eindruck habe, dass sie dazu führen würden, dass ich nicht mehr in den Spiegel oder nicht mehr in die Augen meiner Mitmenschen schauen kann, lehne ich prinzipiell ab. Das gilt aber nicht nur für Arbeitgebermandate, sondern auch für Arbeitnehmermandate. Nicht jeder Arbeitnehmer verhält sich - nur weil er Arbeitnehmer ist - seinem Arbeitgeber gegenüber gewissenhaft und vernünftig. Und umgekehrt gibt es eben auch viele Arbeitgeber mit Gewissen und Vernunft: Die berate und vertrete ich immer gern.
Wie kamst du auf die Idee, Rechtsanwalt zu werden?
Ich wollte bewusst seit der 9. Klasse am Gymnasium selbständiger Rechtsanwalt werden, weil ich einen Rechtsanwalt in meinem familiären Umfeld hatte, der auch Fachanwalt für Arbeitsrecht und Insolvenzverwalter war. Der strahlte für mich immer eine Ruhe und Stärke aus, die mich fasziniert hat und die ich mit seinem „besonderen Wissen“ in Verbindung gebracht habe. Das wollte ich auch haben.
Und warum selbständig?
Selbständig wollte ich schon immer werden - noch bevor ich überhaupt wusste, dass ich Rechtsanwalt werden will. Mein Großvater hat über ein halbes Jahrhundert hinweg in Berlin-Spandau einen mittelständischen Handwerksmeisterbetrieb mit Blumenladen und Restaurant mit mehreren Angestellten geführt, der auch die ganze Familie ernährt hat und auch immer Arbeitsplätze für die Familienmitglieder geboten hat. Der war für mich beeindruckend und als ich als Kind meine Mutter deshalb mal gefragt habe, was er beruflich macht, weil ich wissen wollte, ob ich auch mal so werden kann wie er, meinte sie:“Opa ist selbständig“. Von da an war für mich klar, dass ich auch selbständig werden will. Ich war vor meiner Selbständigkeit aber auch schon Arbeitnehmer: In einem Zeitraum von über sechs Jahren habe ich seit dem 1. Februar 2019 in drei verschiedenen Berliner Rechtsanwaltskanzleien gearbeitet und war währenddessen immer darauf bedacht, mehr zu leisten als nach dem Arbeitsvertrag geschuldet war, gerade auch um die wesentlichen Zusammenhänge zu verstehen, auf die es fachlich und mit Blick auf die anwaltliche Tätigkeit ankommt, und habe viel von meinem Geld in die neueste arbeitsrechtliche Literatur und gute Fortbildungsveranstaltungen investiert, nur wenige Urlaubstage genommen und sogut wie keine Krankheitstage. Da hat man selbst mit Blick auf Kosten und Nutzen am Ende mehr von, wenn man sich selbständig macht.
Hätte es Dir nicht ausgereicht, für einen der Inhaber der Kanzleien, für die du tätig geworden bist, als eine Art "erster Ansprechpartner" (quasi AT-Angestellter) zu fungieren?
Doch, das wäre für mich auch ok gewesen und ehrlich gesagt habe ich auch darauf gehofft, von den jeweiligen Chefs in eine solche Position gebracht zu werden, wenn sie bemerkt haben, dass ich qualitativ und quantitativ hochwertige Arbeit leiste, die das Normalmaß überschreitet und dem gesamten Betrieb zugute kommt. Deshalb ja auch die freiwillige Mehrarbeit und Überstunden. Aber diese quasi AT-Angestellten-Positionen waren - soweit man davon überhaupt sprechen kann - jeweils leider schon an andere Rechtsanwälte vergeben und mit der Zeit habe ich bemerkt, dass ich mich in der Position, in der ich mich befand, fachlich, mit Blick auf eine angemessene Vergütung und das "Gesamtpaket" nicht mehr angemessen weiterentwickeln konnte. Man darf nicht vergessen, dass "inhabergeführt" auch immer bedeutet (so war es jedenfalls bei mir): Ein Rechtsanwalt und seine Frau treffen die wesentlichen Entscheidungen, die das Unternehmen betreffen und die haften auch gemeinsam für alles. Da wird man als jemand, der das Potential und den Willen hat, sich langfristig selbständig zu machen, wenn das nicht unbemerkt bleibt, im Zweifel ab einem bestimmten Punkt in der persönlichen Entwicklung natürlich auch nicht mehr gefördert und hofiert - warum sollte man sich als Kanzleiinhaber auch unnötiger Weise der Gefahr aussetzen, sich und seinem eigenen Geschäft aktiv das Wasser abzugraben (Beispiele, in denen bei Neugründungen von Kanzleien die Hälfte der Angestellten und der halbe Mandantenstamm der Ursprungskanzlei mitgenommen wurde, gibt es ja genügend - auch in Berlin). Obwohl ich mich immer loyal verhalten habe und das auch immer wieder so tun würde. Ich kann aber nicht beurteilen, ob das beim Gegenüber kommunikativ auch so angekommen ist - das ist ja auch abhängig davon, welche Informationen von Vorgesetzten und anderen Mitarbeitern weitergegeben werden und welche nicht bzw. auch, ob diese Informationen ins rechte Licht gerückt werden oder nicht.
Wann und wie bist du zum Arbeitsrecht gekommen?
Im Studium habe ich schnell festgestellt, dass ich im Privatrecht sehr gute Noten erzielen konnte und die Auseinandersetzung mit den Inhalten hat mir Spaß gemacht. Bei uns an der Uni gab es die Möglichkeit, eines von 7 Wahlfächern auszuwählen. Die meisten fand ich nicht so interessant und einer der wesentlichen Kerne des Arbeitsrechts ist privatrechtlicher Natur - damit hatte ich zu diesem Zeitpunkt ja schon sehr positive Erfahrungen gesammelt. Also habe ich 2010 mit dem Schwerpunktbereich „Recht der Wirtschaft: Unternehmen und Arbeit“ am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht angefangen, bei dem ich vorher schon im Zivilrecht in der Klausur und der Hausarbeit so gut abgeschnitten hatte.
Im Referendariat hast du auch Arbeitsrecht als Ausbildungs- und Prüfungsschwerpunkt ausgewählt und im Jahr 2022 den Fachanwaltslehrgang im Arbeitsrecht absolviert: Warum immer nur Arbeitsrecht?
Schon im Studium war ich auf die sogenannte "10.000 Stunden-Regel" gestoßen und habe deshalb über Jahre hinweg meinen Fokus auf diesen einen Rechtsbereich - und die unmittelbar damit verbundenen Rechtsfragen aus angrenzenden Rechtsbereichen gelegt. Ausschlaggebend für meine Entscheidung, Arbeitsrecht auch im Referendariat als Ausbildungs- und Prüfungsschwerpunkt auszuwählen, war aber, dass ich hierbei auf dem Wissen, das ich zuvor bereits im Schwerpunktstudium an der Uni seit 2010 erworben hatte, aufbauen konnte. Die Absolvierung des Fachanwaltslehrgangs Arbeitsrecht im Jahr 2022 liegt nach Studium und Referendariat in derselben fachlichen Richtung, nur ein paar Jahre später.
Warum hast du Dich nicht schon direkt nach dem Referendariat selbständig gemacht?
Auch mit Blick auf Arbeitsrecht gilt: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Selbst wenn man talentiert ist: Um die anwaltliche Praxis im Arbeitsrecht annähernd zu beherrschen, braucht es viel Zeit, in der man viel arbeiten muss, um möglichst viele Erfahrungen zu machen. Meine wichtigsten Berufserfahrungen habe ich während der Mandatsbearbeitung in Verhandlungen mit der Gegenseite und in den Arbeitsgerichtsterminen vor den Arbeitsgerichten und vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gemacht. Viel gelernt habe ich mit Blick auf das Arbeitsrecht aber auch von vorgesetzten Kollegen, die mich ausgebildet haben, und (teils ehemaligen) Richtern, insbesondere aus allen drei arbeitsgerichtlichen Instanzen (ArbG, LAG, BAG), mit denen ich mich über mehrere Jahre hinweg regelmäßig in einem rechtspolitischen Format zu jeweils aktuellen arbeitsrechtlichen Themen ausgetauscht habe. Einer meiner Arbeitsrecht-Lehrmeister, ein Anwalt, in dessen Kanzlei ich mich im Dezember 2020 für die Zeit ab Januar 2021 beworben hatte, und der auch Arbeitgeber und Arbeitnehmer berät und vertritt, hat mir im Vorstellungsgespräch versprochen:“Herr Welz, so eine arbeitsrechtliche Ausbildung wie hier bekommen Sie nirgendwo anders. Die gibt es sonst nirgends. Ich bringe Ihnen das alles bei“. Und er hat Wort gehalten.
