Außerordentliche fristlose Kündigung
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Arbeitgeber kann sich bei treuwidriger Vereitelung seiner Kenntnisnahme von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen nicht auf die Wahrung der zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 S. 1 u. 2 BGB berufen (unzulässige Rechtsausübung): "Danach kann sich der Arbeitgeber nicht auf eine Wahrung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB berufen, wenn er es selbst zielgerichtet verhindert hat, dass eine für ihn kündigungsberechtigte Person bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erlangte, oder sonst eine Abwägung der Umstände des Einzelfalls ergibt, dass sich die spätere Kenntniserlagung einer kündigungsberechtigten Person als unredlich darstellt. Mit der vom Senat vereinzelt verwandten Formulierung, der Arbeitgeber müsse sich ggf. die Kenntnis auch anderer Personen "nach Treu und Glauben zurechnen" lassen (vgl. etwa BAG 27. Februar 2020 - 2 AZR 570/19 - Rn. 32, BAGE 170, 84), ist keine Wissenszurechnung analog 166 BGB angesprochen, sondern die Rechtsfolge, dass sich der Arbeitgeber unter den Voraussetzungen einer nach Treu und Glauben unzulässigen Rechtsausübung nicht darauf berufen kann, eine für ihn kündigungsberechtigte Person habe erst zu einem späteren Zeitpunkt Kenntnis erhalten. a) Eine solche unzulässige Rechtsausübung setzt zumindest voraus, dass die Verspätung, mit der ein für den Arbeitgeber Kündigungsberechtigter Kenntnis erlangt, auf einer unsachgemäßen Organisation beruht (BAG 27.Februar 2020 - 2 AZR 570/19 - Rn. 32, BAGE 170, 84; 20. Oktober 2016 - 2 AZR 395/15 - Rn. 47, BAGE 157, 69), die sich als Verstoß gegen Treu und Glauben iSv. § 242 BGB darstellt." Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 05.05.2022 - 2 AZR 483/21, Rn. 15 u. 16.
Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung
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Erfordert Mitteilung von Umständen, die zum Kündigungsentschluss geführt haben - Mitteilung eines bewusst unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalts führt zur Unwirksamkeit: "Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt er nicht nach, wenn er schon aus seiner Sicht dem Betriebsrat einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt darstellt (BAG, 12. August 2010 - 2 AZR 945/08 - Rn. 18; 7. November 2022 - 2 AZR 599/01 - zu Bl 1 a der Gründe mwN)." Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.11.2013 - 2 AZR 797/11, Rn. 24.
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Erfordert vollständige und wahrheitsgemäße Information - die unvollständige oder wahrheitswidrige Information führt zur Unwirksamkeit: "Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information gehört [...] die Unterrichtung über Tatsachen, die ihm - dem Arbeitgeber - bekannt und für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsam sind, weil sie den Arbeitnehmer entlasten und deshalb gegen eine Kündigung sprechen können" (BAG 3. November 2011 - 2 AZR 748/10 - Rn. 38; 6. Februar 1997 - 2 AZR 265/96 - zu II 1 der Gründe)." Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.10.2014 Rn. 14.
Ordentliche Kündigung
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Verdachtskündigung - als ordentliche Kündigung nur möglich, wenn zugleich eine außerordentliche fristlose Kündigung gerechtfertigt wäre: "Eine Verdachtskündigung ist auch als ordentliche Kündigung sozial nur gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, die zugleich eine außerordentliche fristlose Kündigung gerechtfertigt hätten (vgl. BAG 27. November 2003 - 2 AZR 98/07 - Rn. 22; Krause in vHH/L 15. Aufl. § 1 Rn. 470; Löwisch in Löwisch/Spinner/Wertheimer KSchG 10. Aufl. § 1 Rn. 276).)" Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.11.2013 - 2 AZR 797/11, Rn. 32.
Zeugnis
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Wahrheitspflicht: "Das Zeugnis muss in erster Linie wahr sein. [...] Die Wahrheitspflicht umfasst alle Fragen des Zeugnisrechts und damit den gesamten inhalt eines Zeugnisses. [...] Es kann [...] nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend sein (BAG 9. September 1992 - 5 AZR 509/91 - zu III der Gründe)." Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.06.2016 - 9 AZR 8/15, Rn. 16.
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Bindung des Arbeitgebers an eigene Positivbewertungen: "Der Arbeitgeber ist an den Inhalt eines Zeugnisses grundsätzlich gebunden. Die Bindung kann sich aus den Grundsätzen von Treu und Glauben ergeben (vgl. BAG 8. Februar 1972 - 1 AZR 189/92 - AP BGB § 630 Nr. 20 = EzA BGB § 630 Nr. 17)." Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.06.2005 - 9 AZR 352/04, Rn. 15 - zitiert nach https://lexetius.com/2005, 2294. "Im Regelfall besteht eine solche Bindung. Sie kann sich aus den Grundsätzen von Treu und Glauben ergeben. Daneben kann sie darauf beruhen, dass das Zeugnis Wissenserklärungen des Arbeitgebers zu Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers enthält, von denen er nur abrücken darf, wenn ihm nachträglich Umstände bekannt werden, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen (Senat 21. Juni 2005 - 9 AZR 352/04 - Rn. 13, BAGE 115, 130). Der Arbeitgeber ist nicht nur an erteilte Endzeugnisse gebunden. Auch ein Zwischenzeugnis dient wie ein Endzeugnis regelmäßig dazu, Dritte über die Tätigkeit des Arbeitnehmers zu unterrichten. [...] Um ihm gerecht zu werden, ist der Arbeitgeber für den Zeitraum, den das Zwischenzeugnis erfasst, grundsätzlich auch hinsichtlich des Inhalts des Endzeugnisses gebunden. Er kann vom Zwischenzeugnis nur abweichen, wenn die späteren Leistungen und das spätere Verhalten des Arbeitnehmers das rechtfertigen (vgl. BAG 1. Oktober - 6 AZR 176/97 - Rn. 20, AP BAT § 61 Nr. 2 = EzA BGB & 630 Nr. 21; 8. Februar 1972 - 1 AZR 189/71 - BAGE 24, 112 [...])." Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.10.2007 - 9 AZR 248/07 - zitiert nach https://lexetius.com/2007, 3604, Rn. 25.
